Ich warte in Bau Bau im Operation Wallacea Basishotel auf mein Schiff und esse.
Ich bin wieder alleine.
Wenn man von dem sterbenden Katzenbaby absieht, das mein Hühnchen-Stück entweder noch nicht oder nicht mehr essen kann, und in reiner, offenbar verzweifelter Kontaktsuche nun schon mehrfach auf meinem Fuss Platz genommen hat, so dass ich ausnahmsweise die Übertragung von Parasiten und weiteren Krankheiten auf mich gewähre. Dabei ist Regel Nummer Eins bei diesen Tierchen doch das Ignorieren, sonst endet man als Tier-Messi mit 723 Katzen in einem Haus.
Plötzlich ging alles sehr schnell: Gestern Mittag zurück aus Camp Lapago, wegen Visaangelegeheiten soll es doch schon heute früh um 7:00 losgehen und am selben Tag mit Speedboat nach Kendari! Ich packe und wasche noch schnell, denn nach fünf Tagen im Dschungel mit tagsüber Schwitzen und nachts kalten 16°C Klammheit nimmt meine Kleidung einen sehr eigenartigen Geruch an, der sich auf keinen Fall mit den sauberen Dingen vermischen darf. Abends Abschlussvorträge und dann doch tatsächlich die gemunkelte „Party“, wegen Ramadan noch immer etwas verstecktes und heimliches Biertrinken auch der Einheimischen Staffmitglieder. Es ist , leider war ich ja erst seit Woche 5 dabei und zunachst im Northcamp ausser Reichweite und dann mit dem Beinbruchigen beschäftigt, so dass ich die Leute eben doch erst seit 14 Tagen kenne. Ich schaffe drei 600 ml Bintang-Biere und bin um 2:00 im Bett, was absoluter Rekord ist, latsche aber im Stockdunkeln auch erstmal an meinem Haus vorbei. Ich entscheide mich dagegen, meine Leber zusätzlich mit dem Abbau meiner Doxycyclin-Malariaprophylaxe zu belasten und wache tatsächlich mit einem nicht ganz klaren, aber schmerzfreien Kopf um 4:30 von der Rucksackpackenden Housemate auf (macht nichts, denn um 4:45 ruft ja auch schon die Moschee zum Gebet).
Wieder alles in den Sack gestopft, Kaffee, Frühstücks-Donut, Verabschiedung, Verabschiedungsfotos, ab in das Auto mit Dr. Yudi, meinem Mitdoktor, Ingar, indonesische Herpetologin und Peter, meinem wohlbekannten Herpetologen. Aufgrund unserer AnschlussFlüge bzw-Fähren fahren wir schon einen halben Tag vor allen anderen ab.
Peter hat zu allem und jedem eine Geschichte, weiß eigentlich alles über jede ausgefallene Tierart, am meisten natürlich über Schlangen, eigentlich schweigt er nie. Er hat Stories über jeden Zoo der Welt zur Hand, er hat sie tatsächlich auch fast alle besucht. Auch unsere Berliner Zoos natürlich, die offenbar eine der weltweit umfangreichsten Sammlungen beherbergen. Er hat selbst in verschiedenen amerikanischen Zoos gearbeitet, Bronx-Zoo und St.Louis, wenn ich mich recht erinnere, er hat die halbe Welt auf der Suche nach „Herps“ bereist. Sein Herzblut ist in Guyana geblieben (das mir übrigens ebenfalls von Operation Wallacea angeboten wurde) in einem Cayman-Projekt im Indianer-Dschungel, bis er aus letztlich unklaten Gründen aus dem Land ausgewiesen wurde und alles zurücklassen musste. Jetzt, mit Ende Fünfzig, fitter als die meisten meiner Schoolkids hier und insgesamt ein Mensch mit scharfem Verstand, erstaunlichem Erinnerungsvermogen und Witz. Den ich häufig nicht verstehe, denn es ist englisch, amerikanisches Englisch. Und, er redet leider ununterbrochen, meistens eben von sich selbst. Heute wahrend der Autofahrt mache ich mir daher einen stillen Witz daraus, mit meiner Stoppuhr die Zeit zu nehmen, als er mal längere Zeit schweigt... Trotzdem mich Schlangen und Eidechsen bislang nicht über die Maßen interessiert haben, hatte er doch in unseren Dschungelcamps in North Buton bzw. in Lapago immer die längsten Strecken abzulaufen, so dass ich in beiden Camps eigentlich täglich hinter ihm hergetrottet bin und dabei eine Menge gelernt habe, unter anderem kann ich jetzt mehrere Schlangen- und Eidechsenarten voneinander unterscheiden und wir haben in North Buton sogar die so schöne wie giftige Waglers Pit Viper gesehen (Fotos sobald WLAN...). Die 4,7 m lange Python habe ich leider verpasst.
In BauBau angekommem, soll ich gleich das Ticket kaufen gehen, die Flugreisenden steigen in ein anderes Auto um. Wieder Verabschiedung, Dr. Yudi sehe ich auf Facebook wieder, aber als ich mich von Peter verabschiede, rührt es mich zu peinlichen nur ganz knapp unterdrückbaren Tränen.
Inzwischen ist 13:00, ich sitze im Schnellboot und lerne wieder indonesisch mit unendlich schnulzigen Karaoke-Lovesongs, die mich ehrlichgesagt zu noch ein paar jetzt zugelassenen Tränen rühren. Ach, wie können einem doch Orte, Situationen, Menschen so schnell ans Herz wachsen! Oder ist es nur das Wissen, dass ab jetzt wieder alles ungewiss ist, wieder ein Abschnitt von gerade erst erarbeiteter Gemütlichkeit vorbei ist?
Die Klimaanlage ist kalt, ich werde mich in den noch kurzfristig erstandenen Sarong wickeln und ein wenig schlafen. Bald lade ich wieder Fotos hoch, denn die nächsten Tage werde ich in meinem sehr ordentlichen 35-€-Hotel mit langweiligem WLAN-Luxus im Zimmer mit Pizza verbringen.
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