Mittwoch, 11. Juli 2012

Rantepao, erster Tag

11.7.2012 Wenn man abends ab einen Ort ankommt ist es dunkel und man sieht nichts von der Umgebung. Man hat in Wirklichkeit keine Ahnung, wo man ist. Am Morgen ist man erstaunt und ich meist positiv überrascht.

Gestern ging es mir so in Rantepao. Zuversichtlich stolperte ich nach der zehnstundigen Busfahrt die Hauptstrasse entlang und freute mich, dass ich endlich eine Jacke tragen konnte. Dem Linksverkehr und den „Hello“-Grüßen trotzend, traute ich mich die spärlich beleuchtete Strasse Richtung Dorfzentrum entlang. Ziel war das vom Lonely Planet empfohlene Bar/Restaurant, bei dem von Gitarre spielenden Guides die Rede war. Genauso war es auch, und solche Ortw wird es wohl überall in Indonesien geben.

Gleich wurde ich von einem ganz sympathischen langhaarigen Hippieguide namens Yussuf empfangen. Anwesend waren noch zwei größere Gruppen Italiener und Franzosen soowie spanische Pärchen. Nach dem Essen, ein lokales Gemüse mit Huhn und natürlich Nasi, Reis, einigte ich mich mit Yussuf auf ein Dreitages-Programm mit Beerdigungszeremonie morgen und Zweitages-Trekking in den Bergen, alles für 1.200.000 rupiah, also 100 Euro. Ich habe nicht gehandelt, weil ich Deutsche bin und überdies von persönlichkeitswegen schonungslos ehrlich und das was ich sage, ist das was ich meine und aus diesen Gründen bin ich leider denkbar schlecht im Handeln. Zuvor, noch im Highclass-Hotel in Makassar wurde mir dasselbe für vier Tage inkl. Hotel für 240,-€ angeboten.

Nun ja, Yussuf fuhr mich auf dem Moped nachhause und der Deal stand per Handshake.
Am nächsten Tag, fünf nach Neun, kein Yussuf erscheint, Halb zehn (hatten wir doch halb zehn gesagt?) noch immer kein Yussuf. Dafür erscheint ein anderer Indonesier,  der seine Guidance anbietet. Ich finde ihn nicht so nett und eine Migräne zieht auf (NTM: Keine 600 ml Bintang-Bier mehr... Vertrage hier keinen Alkohol!), ich bin unlustig, enttäuscht auch ein wenig und irgendwie verärgert, weil ich neu planen muss. Ich lasse den Typen planen, als plötzlich zwei Endfünfzigjahrige Französinnen auf der Bühne erscheinen, die hocherfreut sind, auf einen französisch (radebrechenden) sprechenden (deutsch sprach er auch etwas) Guide zu treffen. Ihr, im Internet reserviertes Zimmer ist noch nicht fertig, also Tasche schnell bei mur geparkt, sie leihen mir auch fünf Euro. Die Armen sind am Vortag per Sammeltaxi angereist, nachdem sie aus Bali nach Makassar eingeflogen sind und mussen morgen  schon wieder zurück, um den Flug übermorgen zu bekommen - was für ein unsinniger Trip! Also, der Guide findet die auch lustiger als mich ernsthaftig-verkopftes deutsches Mädchen und ich bin froh über weibliche Gesellschaft, auch wenn sie praktisch nicht Englisch sprechen, und flux ist der Preis neu verhandelt für drei im Jeep statt mit dem Moped (ich bin nicht unglücklich, denn wer mich besser kennt weiß, dass ich nur äußerst ungern auf so ein Teufelsgerät steige. Ich bin in Makassar schon so gefahren und ich glaube, es ist eigentlich das erste Mal im Leben gewesen. Ich werde das hier zukünftig ungefähr so gut vermeiden können wie Fisch und Fleisch essen...).
Auf geht es, und nachdem Coca-Cola und 800 g Ibuprofen keine Wirkung zeigen lege ich schließlich Sumatriptan nach und weiß wieder nicht, was eigentlich schlimmer ist, der drückende Schmerz oder die bleierne Müdigkeit durch die Tablette.

Ich darf im Jeep vorne sitzen und bemühe mich immerhin um ein Gespräch mit dem Chauffeur, der innerhalb von fünf Minuten nach dem Agreement mit dem Auto im Hof unseres Hotels stand (10,-€/Nacht, breakfast not included, durchgelegene Matratze, aber mit heissem Wasser, Balkönchen und Blick auf die Berge, was ich natürlich bei Ankunft nicht beurteilen konnte-siehe Foto!). Schon nach 15 Minuten werden wir an einem Dörfchen mit verdächtig vielen parkenden Jeeps und Transportern mit Wasserbüffeln herausgelassen. Hier findet tatsachlich eine grosse Beerdigungszeremonie statt.

Das Volk der Toraja konserviert ihre Toten, früher mit “local herbs“, heute mit Formalin, dann werden sie aufgebahrt bis die Vorbereitungen für die richtige Beeredigungszeremonie getroffen werden können. Diese fällt dann meistens auf die Trockenzeit der Sommermonate des nächsten Jahres, so wie jetzt. Je höher der Status, desto größer der Aufwand. Je mehr tote Tiere den Toten begleiten, desto besser der Spirit.

Ich frage genauer nach, der Guide spricht von Injektions-Methode für das Formalin und dass der Tote “in the living room“ aufbewahrt wird, ich wiederum bezweifele die Injektionmethode, denke an die Bottiche aus dem Anatomiekurs und stelle mir so eine Art Aquarium mit einem Toten neben dem Fernsehsofa vor... Der Lonely Planet (hier leider kein einzelner Autor und ausserdem dieser typische, immergleiche LP-Stil, so dass ich garkeinen Menschen ansprechen kann) sagt tatsächlich so was ähnliches.
Die Toraja haben außerdem einen eigenartigen Baustil, sehr typisch und auch schön. Die Dächer sind hochaufgebaut und ragen wie ein Schiff vorne und hinten über. Die Interpretation lautet, dass sie vor langer Zeit mit Booten nach Sulawesi kamen, alternativ könnte es sich auch um die Form von Buffelhörnern handeln, aber mir gefällt die Version von den Booten besser: Du baust deine Häuser so als Erinnerung an was dich einst an den Ort gebracht hat... Es gibt noch drei andere große Volksgruppen in Südsulawesi, und die Häuser habe ich unterwegs gesehen, die sehen tatsächlich anders aus. Beiden gemein ist, dass sie auf Pfählen stehen, was unendlich viel Sinn macht, denn darunter kann man im Schatten sitzen und das Wasser fliesst ab.
Die Torajas bauen kleinere solche Häuser als Reisspeicher und größere, in denen sie wohnen und kleine, die auf den modernen Gräbern stehen, und ganz winzige, die an Touristen verkauft werden. Diese Häuser sind tatsächlich so in Gebrauch und in den Dörfern überall zu sehen.

Die Zeremonie ist schwer auszuhalten aus meiner Sicht, überall liegen auf Bambusstangen festgebundene Schweine, die im Bewusstsein ihres nahenden Todes schwer hyperventilieren und markerschütternd schreien, wenn sie schließlich weggetragen werden. Schwein heißt auf indonesisch „babi“, und meine Sozialisation durch “Ein Schweinchen namens Babe“ hat mich dieses Wort leicht erinnern lassen, aber auch “Die Farm der Tiere“ hat in Bezug auf Schweine tiefen Eindruck hinterlassen. Kaum erwähnenswert, dass Tierschutz in Indonesien nicht denselben Stellenwert wie in Deutschland besitzt, und ich bereirs im Angesicht halbtoter transportierter Hühner bereits meine nette Arztempathie beschneiden muss. Immerhin ist hier kein Islam, man isst wieder Schwein.

Zurück zur Beerdigung, ein Zeremonienmeister schreit in ein überlautes Soundsystem die Namen der Familien, die vorbeiprozessieren, immer wieder neue Schweine, Wasserbüffel (die Wasserbüffelkühe sind wunderschön, zarter, nette Farbe, sie sind sympathisch, erinnern mich an dicke Rehe), und zwischendurch Tänze, und das Geschrei des Zeremonienmeisters, viele Touristengrüppchen kommen mit ihren Guides, es wird uns ein Extrabereich zugewiesen, Geschenke uberreicht, sie machen auf mir unverständlich dreiste Weise Fotos, ich komme mir vor wie im Zoo, für für Zeremonieteilnehmer erstaunlicherweise kein Problem, aber die Französinnen und ich haben dich eher zügig das Gefühl, hiermit auch genug gesehen zu haben. Ich frage mich kurz, ob die Schlachtung eines Schweines noch zum kulturellen Erlebnis für mich etwas beizutragen hat, schließlich will ich ja bloß bichts verpassen, und entscheide schnell, nein! Gut so, denn ein Australier im Hotel abends sagt, dass es ihm eine bleibender Erinnerung sein wird, wie der Büffel geschlachtet wurde, und ich kann mit meiner lebhaften Phantasie gepaart mit meinen Erinnerungen an schwierige arterielle Punktionen aus meiner ersten Zeit auf der Intensivstation den Geruch von Blut und den pulsierenden roten Strom  aus der Carotis eines Wasserbüffels im Todeskampf nur zu gut imaginieren.

Weiter geht es, mit dem Jeep durch Reisfelder, sehr malerisch, Torajahäuser, Stops für Gräber in Felsen, Babygräber in Baumen, mehr Felsengräber, Höhlen mit Skeletten und immer Tau-Tau, Holzfigurinen, welche die Toten repräsentieren. Ich denke mir zwischendurch lästige Fragen aus, denn mein Guide ist mir nicht sympathusch,  was wird zur Konservierung dieser Orte getan, waren Archäologen vor Ort um das wahre Alter zu bestimmen, und es entsteht leider kein echtes Gespräch über den Ansatz dieser Dinge. Interessanter Einblick in das Leben des Guides, auch er arbeitet manchmal im Reis, Touristen kommen ja nur Juni bis August, 25% der Ernte für den Arbeiter, 75% für den Besitzer. Der dann nach seinem Tod soundsoviele Büffel geschlachtet bekommt... Wofür brauchen wir entwicklungsgeschichtlich nochmal Statussymbole? (NTM: Ebendies und was sind eigentlich meine eigenen Statussymbole?).

Auf der Rückfahrt kann ich mich nicht mehr halten und verbringe due Zeit mit unangenehmen Sekundenschlafattacken. Zwischendurch noch ein Buffelkampf im Reisfeld, wieder viele Einheimische drumherum, aber die Büffel sind schon müde.

Eine Dusche und Wechsel der Klamotten refresht ungemein und ich mache mich daran, die alleinreisenden Männer in meiner Hotel“Lobby“ anzuquatschen, da ich ja einen Plan für due nachsten Tage brauche. Deutsche habe ich übrigens bisher nur im Rentenalter angetroffen, es dominieren Spanier, die es gut haben beim feilschen weil das mit der „Krise“ nun auch hier Bekanntheit erreicht hat, sowie Franzosen, und Australier, soweit ich das nach einem Tag überblicke.

Ich bin mit der Informationseinholung mäßig erfolgreich und laufe also wieder die Hauptstraße  entlang, auf der Suche nach Geld, freue mich über das ungewohnte Supermarkt, kaufe keine nur einzeln verpackt angebotene Rolle Klopapier für 80 Cent (mein Hotel hat für 10 keins im Angebot, aber sogar da habe ich mit einer maguschen Superrolle, die schon campen in Albanien war, gerade noch knapp vorgesorgt) und treffe schließlichauf Jesus, einen Spanier aus meinem Hotel. Wir schlendern weiter (man schlendert in so einem Land grundsätzlich nicht, man passt auf, dass man nicht überfahren wird oder in irgendwas schreckliches hineintritt), organisieren schließlich noch sein Busticket, mein Geldabheben, sogar oeganisiere ich Raftingtrip fur mirgen (teuer!!!) und schliesslich essen wir gemeinsam mein erstes Essen an einem Stand am Markt, also auf der Strasse, Satehspiesschen vom mageren Huhn, Reis, Suppe, für 1,90 € für uns beide und ich belustige unsere Sitznachbarn durch meine Indonesischkenntnisse. Das war gut, bislang hatte ich doch Hauptmahlzeiten nur in „Restaurants“ zu mir genommen, und Jesus, sowieso schon asienerfahren und seit drei Wochen im Land, schleudert allen „Hellos“ ein „How are you“ entgegen, ich stimme ein und mein Selbstbewusstsein steigt, denn ich tue dasselbe aber sogar auf indonesisch!

Im Hotel zurück ein Neuankömmling, ein knapp sechzigjähriger Mann aus Hawaii, Amerikaner, sein Gespräch mit dem Australier hört such zunachst interessant an, entpuppt sich dann aber als ein typisches „Seen that, dun that, speak 7 languages, traveled the whole world basically, cant stop talking“, und als er verkündet, man solle doch diese oder jene indonesischen Sätze lernen, ziehe ich mich mit noblem understatement zuruck um diesen Text in mein Handy zu tipseln.

Draußen regnet es jetzt erneut heftig, blitzt auch, der Strom ist ausgefallen und mein Malaria-Doxycyclinblister sagt mir: Relax, heute ist trotz allem erst deine fünfte Nacht in Indonesien...





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