In China soll ja so viel Fahrrad gefahren werden - im Rahmen der Kulturrevolution, als es sonst nichts gab. Vermutlich ist das im Rahmen der Wirtschaftsrevolution abgeschafft worden - wir jedenfalls finden den Fahrradladen nicht...
Dafür finden wir so viel anderes!
Zunächst, an unserer U-Bahn-Zielstation, einen hervorragenden Food Court! Essen! Essen, welches man durch daraufzeigen auswählen kann! Es ist 11:30, Hauptessenszeit, die Halle ist gerammelt voll. An den Rändern sind Stände, an denen unterschiedliche Gerichte angeboten werden. Man muss zunächst eine Art Mensa-karte erwerben und Geld daraufladen, dann ein Tablett schnappen und auswählen, an den Ständen wird dann das Geld direkt abgebucht. Ich verliebe mich in einen Stand mit bestimmt 15 unterschiedlichen Gemúseschälchen und wähle drei aus, dazu nehmen wir die allgegenwärtigen Dumplings, die wieder mit einer Art Hackfleischfüllung kommen und getunkt in eine Mischung aus Sojasoße, Essig und scharfer Soße mir am besten schmecken. (Am allerbesten schmeckt uns allerdings die vegetarische Version, welche leider, während wir uns weiter ins Land und nach Osten arbeiten seltener wird zugunsten von Schweinefleisch). An anderen Ständen wiederum wählt man die Zutaten für die Nudelsuppe roh aus und lässt sie dann frisch kochen. Koreanische Gerichte scheinen ebenfalls beliebt. Tofu wird später noch seine vegane Unschuld verlieren - gekocht in einem Innereiensud...
Hervorragend gestärkt durch das unerwartete Essen im Ubahnhof muss ein Verdauungskaffee her - leider geht ein relevanter Anteil unserer Urlaubskasse für Cappuccino bei Starbucks, Costa und Konsorten drauf...
Mit dem Kaffee to go suchen wir den passenden Ubahn-Ausgang, diese sind immer von 1-4 durchnummeriert und man sollte sich auch strikt daran halten, sofern man weiß, wo man raus soll. Bei einer späteren Gelegenheit können wir zum Beispiel nicht zum Busbahnhof gelangen, welcher sich auf der anderen Seite eines Schienenbahnhofes befindet, ohne erneut ein Ubahn-Jeton zu erwerben und untenherum zum anderen Ausgang zu gelangen. Hier aber verschwimmt die Ubahn mit einer Mall, und plötzlich finden wir uns im SOHO GALAXY wieder, eines der vielen emblematischen Objekte, in denen sich (westliche) Architekten in Chinas neuen Megestädten ausleben. Der Lonely Planet bezeichnet das passend als "architects wet dreams...". Hier im Inbenhof lässt sich jedenfalls super der Kaffee schlürfen und das Treiben der neuen Pekinger Elite betrachten. Allgegenwärtig sind gleichzeitig Menschen, die saubermachen. Und so ist alles schön gepflegt, man trifft aber auch häufig auf dreckige Ecken, ein Phänomen das sich am besten mit "vorne hui, hinten pfui" beschreiben lässt. Dennoch, man staunt über diese neuen Gebäude, vor allem wenn man in Berlin so piefiges Zeug wie "Das Schloß" sich vor Augen führt.
Wir meandern weiter auf der Suche nach dem Fahrradverleih aus dem Reiseführer. Dabei entdecken wir gruselige kleine Plastikbälle, in den lebende winzige Schildkröten in Wasser hocken. Eine ist schon tot. Sie hat es geschafft, könnte man sagen. Plötzlich ändert sich das Straßenbild, kyrillische Schriftzeichen mischen den chinesischen Strichwald auf, riesige Modefotorafien kleben an Häuserfassaden, auch das Wort "fur" wiederholt sich. In ein fensterloses Gebäude strömen Menschen ein und aus. Neugierig treten wir ein. Es wirkt eigentlich wie ein normales Kaufhaus, es gibt Shops mit Schaufenstern, aber hinter dem Eingang hängt immer ein Vorhang, der Blick in den eigentlichen Shop ist versperrt, für die Temperaturen hier sind das wirklich viele Mäntel, ein Daunenmantel imponiert mit äusserst üppigem Dekolleté, und der Groschen fällt: Hier werden Geschäfte gemacht hinter den Vorhängen, hier shoppt man nicht für sich, man kauft der Großhandel nach Russland ein, und hier werden auch die Pelze umgeschlagen, über die wir uns in Europa echauffieren. Ich mache ein Foto, aber eine Wachperson nähert sich, und wir schlüpfen wieder nach draußen auf der Suche nach dem Fahrrad...
Wir haben zwar die genaue Adresse, aber aufgrund der großen Firewall ja noch lang kein google maps, also suchen wir mit Reiseführer-Karte, Händen und (allmählich schon müden) Füßen! Wir scheuen keine Mühen, zeigen Chinesen die Adresse in Schriftzeichen, wir müssten quasi schon da sein, wir fragen sogar die lungernde Polizei, aber kommen nicht zum Ziel. Dafür stossen wir auf Kunst, die wehtut (oder die wir nicht verstehen, so wie wir auch erst später durch anhaltende Begleitlektüre anfangen, Ai Wei wei zu verstehen), auf Architektur, die sich unverständlicherweise "green park" nennt, versuchen, in ein Taxi zu steigen, werden aber mehrfach abgelehnt, versmogen auf einer Riesenkreuzung und steigen schließlich leicht entnervt wieder in die Ubahn, denn Ubahnfahren, das können wir echt richtig gut!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen